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Die Kanalisierung der Donau

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Hier mein Youtube-Video zum Thema

 

Als Requisit eines romantischen Landschaftsideals bietet die Donau das optimale Motiv für die Bewerbung von Ausflugszielen und Ferienregionen. Dass Ausdrücke wie „die prachtvolle Königin der Flüsse“ die bittere Realität dieses Gewässers nicht ganz treffen wollen, wird dem wohlmeinenden Blick des Reisenden auf verträumte Landschaften und idyllische Donaustädte wohl meist entgehen.

Schauen wir uns den schwäbischen Teil der Donau einmal genauer an, und zwar auf der offiziellen Kartierung der Gewässerstruktur der Fließgewässer in Baden Württemberg (externer Link). Bereits die beiden Quellflüsse, Breg und Brigach, gelten als deutlich verändert. Nach dem Zusammenfluss dieser Bäche zur Donau dominiert die Farbe rot. Rot ist die schlechteste ökologische Zustandsklasse und wird folgendermaßen definiert: Die Gewässerstruktur ist durch die Kombination von Eingriffen z.B. in die Linienführung, durch Uferverbau, Querbauwerke, Stauregulierung, Anlagen zum Hochwasserschutz und/oder durch die Nutzungen in der Aue stark beeinträchtigt bzw. vollständig verändert. Dies muss nicht weiter kommentiert werden.

 Tatsächlich sind nur kurze Flussabschnitte der oberen Donau zwischen Fridingen und Sigmaringen (dem berühmten Donaudurchbruch) und zwischen Zwiefaltendorf und Munderkingen als weitgehend naturbelassen bis mäßig verbaut klassifiziert. Ab Ehingen wird der Fluss dann unwiderruflich aus seinem natürlichen Bett in einen von Menschenhand geschaffenen Kanal gezwungen, den er bis zum Donaudurchbruch bei Weltenburg nicht wieder verlassen darf. Beidseitige Dämme und eine Kette von Stauwerken und Querverbauungen reglementieren den ehemals frei strömenden Wasserlauf.

Ursprünglich folgte die Donau – je nach natürlichem Gefälle und Breite der Talsohle – einem kurvenreichen Verlauf. Breite Schotterbänke, Kiesinseln und Verästelungen des Flusses mit regelmäßigen Veränderungen des Wasserlaufes waren in den flachen Tallandschaften, die einst von den Schmelzwasserfluten der eiszeitlichen Alpengletscher geschaffen wurden, die Regel. Die Donau war daher bis zu ihrem Umbau in ein technisches Gewässer ein alpin geprägter Wildfluss.

So wie dieser nordamerikanische Wildfluss sah die Donau vor ihrer Zerstörung aus. Welch ein unwiederbringlicher Verlust an Lebensqualität und kultureller Identität, an natürlicher Landschaft und Artenvielfalt!

Auch heute noch bezieht die Donau ihr Wasser im Wesentlichen aus ihren alpinen Nebenflüssen. Bei der Schneeschmelze und nach Starkregenfällen trat der Fluss oft mehrfach im Jahr über die Ufer und überschwemmte häufig den gesamten Talraum auf mehreren Kilometern Breite. Diese Hochwasserereignisse verhinderten bis zur Regulierung der Donau in der Mitte des 19. Jahrhunderts eine dauerhafte Besiedlung dieser Risikozone. Allerdings wurden die Überflutungsbereiche schon immer als Weideland genutzt. Zur Aufrechterhaltung der Fruchtbarkeit der Weideflächen und Mahdwiesen war der Eintrag von nährstoffreichen Sedimenten sogar sehr willkommen (es gab ja noch keinen Kunstdünger). Überflutungen wurden daher auch nicht als Katastrophen wahrgenommen, weswegen auch nur ganz außergewöhnliche Hochwasser in den Archiven dokumentiert wurden. So das Magdalenen-Hochwasser von 1342, das nach heutigen Berechnungen bis zu hundertmal mehr Wassermassen aufbrachte als alle sogenannten Jahrhunderthochwasser der letzten Jahre (externer Link). Die Wiederholung eines solchen Ereignisses würde auf schreckliche Weise unseren Realitätsverlust bei der Beurteilung natürlicher Risiken offenbaren.

Auch die allgemein verbreitete Vorstellung, die heute als Auwälder bezeichneten Waldflächen wären Nachfolger ursprünglicher Wälder, ist falsch. Tatsächlich waren die Wälder unter dem hohen Viehbestand und der intensiven Holznutzung bereits im Mittelalter weitgehend verschwunden beziehungsweise stark degeneriert. Erst mit dem Beginn des Kohlebergbaus Mitte des 19. Jahrhunderts endete bei uns das "Holzzeitalter". So auch an der Donau, wo lediglich die landwirtschaftlich nicht nutzbaren ehemaligen Schotterbänke des nun begradigten Flusses aufgeforstet wurden. Das, was wir heute als Auwälder bezeichnen, sind also allenfalls flussbegleitende forstwirtschaftliche Betriebsflächen.

Trotz der Zerstörung der Wälder blieb in den Überschwemmungszonen der Donau eine weitgehend naturbelassene Landschaftsstruktur aus Niedermooren, Sand- und Kiesbänken, Altarmen, Bächen und Feuchtbiotopen erhalten. Erst mit der technischen Umgestaltung Wasserlaufes selbst wurde die Einheit von Fluss und Aue endgültig vernichtet.

Die Umgestaltung Donau hatte viele Gründe, deren wirtschaftliche und politische Bedeutung sich außerdem im Laufe der Zeit änderte. Aus einem Anstieg der Bevölkerungszahl und gleichzeitigem Autarkiebestreben entstand im 19. Jahrhundert ein Bedarf an Siedlungsraum und - vor allem - an landwirtschaftlichen Nutzflächen. Diese Politik beschleunigte in weiten Teilen Deutschlands die Trockenlegung von Mooren, die Rodung von Waldgebieten oder die Urbarmachung von Heiden und anderen sogenannten "Ödländern". In Bayern standen die bislang nur extensiv bewirtschafteten Überschwemmungsgebiete der eiszeitlichen Stromtäler der Donau und ihrer alpinen Nebenflüsse im Fokus des Interesses. Immerhin betrug die Gesamtfläche der Auen des Alpenvorlandes etwa 3000 Quadratkilometer - mehr als 4% der bayerischen Landesfläche. Die tief greifende Umwandlung des weitgehend natürlichen Flusslaufes in einen Kanal begann Anfang des 19. Jahrhunderts mit der als Donaukorrektur bezeichneten Begradigung des Flusslaufes, ein Vorhaben, das 1867 weitgehend abgeschlossen war.

 

Ein Blick über das Donauried zeigt die vielfältige landwirtschaftliche und industrielle Nutzung entlang der Donau. Im Hintergrund die Kühltürme des Kernkraftwerkes Grundremmingen. Diese Region war noch vor zweihundert Jahren nahezu unbewohnt. Zwar konnten sich die durch beständige Holzentnahme degenerierten Auwälder nach der Einführung einer geordneten Forstwirtschaft ab Mitte des 19. Jahrhunderts zunächst wieder erholen, doch der spätere Ausbau des Hochwasserschutzes führte zu einer Abkopplung der ausgedeichten Uferbereiche von den natürlichen Überschwemmungen der Donau. Die fortschreitende Austrocknung der ehemaligen Auenbiotope wird letztlich das Verschwinden der ökologisch wertvollen Auwälder zur Folge haben.

Stauwerke lassen wandernden Fischen keine Chance

Die Begradigung und Einengung des Wasserkörpers führte allerdings zu einer Erhöhung der Fließgeschwindigkeit und damit zu einer Verstärkung der Erosionskraft an der Gewässersohle. Der Fluss schnitt sich immer tiefer in sein eiszeitliches Kiesbett ein. Als Folge dieser Absenkung des Flussbettes um bis zu acht Meter sank auch der Grundwasserspiegel in der angrenzenden Aue. Diese Drainage war für die Urbarmachung der angrenzenden Feuchtflächen durchaus erwünscht, fiel aber in manchen Regionen so drastisch aus, dass die landwirtschaftliche Nutzung statt durch einen Überschuss an Wasser nun durch einen Wassermangel in Mitleidenschaft gezogen wurde. Wieder wurde Großtechnik eingesetzt, um die negativen Konsequenzen früherer Eingriffe in den Griff zu bekommen. Die 1960 begonnene Errichtung einer mittlerweile ununterbrochenen Kette von Querverbauungen — allein zwischen Ulm und Donauwörth entstanden auf nur 70 Kilometer elf Stauwerke — sollte nun die Wasserführung der Donau stabilisieren. Gleichzeitig dienen diese Anlagen der Energiegewinnung, der Kühlung des Kernkraftwerkes Grundremmingen sowie der Regulation der Pegelstände des schiffbaren Abschnittes der Donau ab der Einmündung des Rhein-Main-Donau-Kanals.

Da die bisherigen Maßnahmen keinen ausreichenden Hochwasserschutz gewährleisten konnten, wurde die Donau von einem lückenlosen Korsett von Dämmen eingefasst. Die einmal eingeleitete Öffnung der Überschwemmungszonen für Siedlung, Landwirtschaft, Industrie und Infrastruktur zog zwangsläufig immer weitergehende Maßnahmen zur Verbesserung des Hochwasserschutzes nach sich, was auch die Einbeziehung selbst kleinerer Nebenflüsse notwendig machte. Dieser Prozess ist bis heute nicht beendet, fühlen sich Politik und Verwaltung doch gefordert, das letztlich unhaltbare Versprechen nach einem absoluten Hochwasserschutz einzulösen - koste es, was es wolle.

 

Mit Beton armierte Dämme zerstören jede natürliche Uferstruktur und verhindern den Kontakt mit dem zunehmend austrocknenden Auwald.

 

Nur noch an wenigen Stellen des Oberlaufes, wie hier bei Zell, fließt die Donau frei und ohne künstliche Hindernisse. Altarme dienen als Laichgewässer und geben Raum für die Entwicklung einer Weichholzaue.

Die kurzen Abschnitte zwischen den Stauhaltungen sind kanalisiert, auch wenn dies den meisten Besuchern nicht gleich auffällt. Aber auch hier fehlen jegliche Strukturen, die einen natürlichen Fluss prägen, wie schnelle und langsame Fließstrecken, Inseln, Kies- und Sandbänke oder Weichholzauen. Der künstlich abgesenkte Flusskanal und die Regulierung des Wasserstandes über die vielen Sperrwerke sowohl an der Donau selbst als auch an ihren alpinen Nebenflüssen lassen nur bei außergewöhnlich starken Hochwässern gelegentliche und räumlich begrenzte Überflutungen der ehemaligen Auwälder zu.

Um Überflutungen zu verhindern, reichen die Dämme selbst bis in die kleinsten Nebenflüsse hinein (wie hier an der Roth) und trennen die Fragmente der Weichholzaue (links) vom austrocknenden Auwald (rechts).

Entwässerungsgräben legen die Aue trocken. Sie werden die Dämme entlang geführt, um unterhalb der Sperrmauern rückstaufrei in den Donaukanal eingeleitet zu werden.

Mit allen wasserbaulichen Mitteln wird das Drainwasser aus dem Wald geführt

Fichtenforste unmittelbar hinter dem Damm belegen die erfolgreiche Trockenlegung ehemaliger Auwälder.

Die Kanalisierung der Donau hat einen dramatischen Einfluss auf die Ökologie des Flusses und seiner angrenzenden Biotope. Durch die Begradigung von Flusswindungen wurde der natürliche Wechsel von Steilhängen und Kiesbänken und von Fließzonen und Ruhigwasserbereichen unterbunden. Die Wasserflora verarmte, weite Bereiche der Ufervegetation verschwanden ebenso wie unzählige Tierarten von Schnecken, Muscheln, Wasserinsekten und Krebsen bis hin zu Fischen und Vögeln. Die Fischerei an der Donau und ihren Nebenflüssen, die jahrhundertelang einen wesentlichen Beitrag zur Ernährung der Anrainer geleistet hatte, brach vollständig zusammen.

Die Eindämmungen entlang des Flusses entkoppelten die ufernahen Wälder und Feuchtgebiete vom Rhythmus der regelmäßigen Überschwemmungen. Altarme wurden isoliert und verloren, wenn sie nicht ohnehin verfüllt wurden, ihre Bedeutung als Laichgewässer für Donaufische. Unüberwindliche Sperrwerke verhindern den Austausch von Wasserbewohnern, ziehende Fischarten starben aus. Die unmittelbar am Wasser wachsende Weichholzaue, bestehend aus überschwemmungsresistenten Weiden und Erlen, verschwand ebenso wie die Kies- und Sandbänke. Der ohnehin nur noch fragmentarisch erhaltene Hartholzauwald, der sich an die Weichholzaue landeinwärts anschließt, trocknet weiter aus. Die Ursache hierfür ist nicht allein das durch Dammbauten erzwungene Ausbleiben oberflächlicher Überflutungen, die Unterdrückung natürlicher Pegelschwankungen im regulierten Donaukanal unterbindet auch das natürliche Auf und Ab der Grundwasserstände. Um die zumindest teilweise noch strukturreichen und ökologisch wertvollen Laubwälder für den Anbau wirtschaftlich interessanterer, aber trockenheitsliebender Baumarten wie Fichte und Buche zu präparieren, leiten metertiefe Entwässerungsgräben das Wasser aus der ehemaligen Flussaue.

Der Verlust an natürlichen Lebensräumen und Artenvielfalt ist gewaltig. Die vielbesungene Donau ist in weiten Bereichen zu einem biologisch verödeten Gewässer in einer vom Fluss abgekoppelten Landschaft verkommen. Eine Umkehr dieses Prozesses ist unrealistisch. Erhalt und ökologische Aufwertung von noch bestehenden Lebensräumen im Einzugsbereich der Donau, besonders der flussbegleitenden Laubwälder und der wenigen noch freifließenden Nebenflüsse, sind das Gebot der Stunde.

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