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Wo kommt nur der Kies her?

Kies ist ein faszinierendes Material. Wer hat nicht schon den Formen- und Farbenreichtum dieser gerundeten Steine an einem Flussufer oder in einem klaren Bergbach bewundert? Manche Kiesel sind einfarbig weiß, grau oder schwarz, es gibt grüne, braune, ziegelrote oder lachsfarbene. Nicht wenige bestehen aus zwei oder mehr farblichen Komponenten. Manche sind punktiert oder wellenförmig marmoriert, wieder andere haben glitzernde kristalline Einschlüsse. Kein Wunder, dass Kies gerne als dekorativer Belag in Gärten und Parkanlagen verwendet wird. Weshalb aber erscheinen Kiesel wie industriell hergestellt, nach Größe sortiert, poliert und abgerundet? Kies entsteht nie dort, wo er gerade gefunden wird. All die bunten Steinchen an den Ufern unserer Flüsse haben bereits einen langen Weg hinter sich. Farbe und Zusammensetzung der Kiesel sind Wegweiser zum Ort ihrer Herkunft - und der liegt meist in den Gebirgen. Obwohl die Erosion von anstehendem Gestein auch heute für einen beständigen Nachschub an Sedimenten aus den Alpen oder Mittelgebirgen sorgt, gelangt nur ein geringer Teil der Sande und Kiese über die gegenwärtige Verwitterung in das Wasser unserer Bäche und Flüsse. Für die Donau und den Rhein samt ihrer südlichen Nebenflüsse bildet die Mobilisierung von eiszeitlichen Ablagerungen aus den Alpen die weitaus wichtigste Quelle von Sedimenten. Die Flüsse der norddeutschen Tiefebene beziehen ihre Sedimente zu einem wesentlichen Teil aus den Hinterlassenschaften des skandinavischen Eisschildes, das mit seinen riesigen Gletscherflüssen eine oft mehrere Hundert Meter dicke Sedimentschicht abgesetzt hat. Dieses Material stammt daher meist aus Nordeuropa.

Donau und Rhein beziehen ihre Sedimente aus den Alpen

Elbe, Oder und selbst die Themse mobilisieren die Sedimente der Eiszeiten, die aus dem skandinavischen Gebirge zu uns gelangt sind. Der Svartisen am Polarkreis ist nur noch ein bescheidener Rest des ehemaligen Eisschildes, der bis nach England und Norddeutschland reichte.

So wie in Grönland sahen noch vor 12000 Jahren die Alpen aus ....

... und mit dem Hobel des Eises und der Transportkraft des Wassers entstanden Sand und Kies, ...

... die als Sedimente die eiszeitlichen Stromtäler auffüllte. Und so wie der Watson River in Grönland sahen einmal die Täler von Rhein und Donau aus, ....

... was nicht mehr zu erkennen ist ....

... und auch der Kies hat neue Interessenten gefunden.

Solange Steine durch Gletscher transportiert werden, haben sie eine unregelmäßige, kantige Gestalt mit rauer Oberfläche. Ablagerungen von Gletschern (Moränen) bestehen aus Sand und Gestein ganz unterschiedlicher Größe. Fließendes Wasser löst die Sande und kleineren Gesteinsfraktionen aus den Moränen und verfrachtet sie flussabwärts. Die wechselseitige Reibung im Wasser poliert die Steine bis sie sich allmählich zu Kieseln runden. Dieser Vorgang hat bereits in den Eiszeiten begonnen. Zurück blieben die groben Schotter und die oft viele Tonnen schwere Blöcke im Oberlauf der Alpenflüsse, die selbst stärksten Fluten widerstehen. Aber durch die beständige Erosion werden auch sie irgendwann einmal in Portionen zerkleinert ihren Weg flussabwärts antreten müssen. Durch ihre mineralische Zusammensetzung kann die Herkunft eines Kiesels oft bis in eine konkrete Gesteinsschicht in einem bestimmten Gebirgszug zurückverfolgt werden. Jeder Kiesel erzählt die Geschichte seiner Entstehung und seines langen Weges bis zum Fundort.

Zur Verfrachtung großer Steine ist ein höherer Wasserdruck erforderlich als für den Transport feinerer Sedimente. Gröbere Steine werden erst bei starker Strömung mobilisiert und viel schneller wieder abgesetzt als feinere Materialien, die leichter aufgenommen und viel weiter verfrachtet werden. Entlang der Oberläufe der alpinen Zuflüsse von Donau und Rhein dominieren daher Steinblöcke, Schotter und grober Kies. Natürlich bilden sich in ruhigen Zonen dieser Fließstrecken auch Sandbänke, diese werden aber bei Hochwasser leicht wieder fortgespült. Zurück bleiben die größeren Gesteine, die nur bei außergewöhnlichen Fluten ein kleines Stück flussabwärts versetzt werden. Feinere Kiesfraktionen und Sande werden bevorzugt entlang der Mittel- und Unterläufe der Flüsse abgelagert. Auf diese Weise haben sich im Laufe der Zeit die Gesteinsfraktionen entlang eines Flusslaufes nach Größe und Gewicht regelrecht entmischt. Ob und an welcher Stelle sich Kies- oder Sandbänke bilden, das hängt neben dem Angebot an Sedimenten auch von der Gestalt des Flusses ab. Ein bogiger Verlauf oder Flussinseln fördern Ablagerungen auf den strömungsabgewandten Ufern. In flachen Flusstälern sind großflächige Umlagerungen der Schotterbänke häufig, bei steilen Talprofilen beschränkt sich die Sedimentation eher auf einen schmalen Uferstreifen. Sind die Täler breit und flach, so wie ehemals an der Donau und ihren alpinen Zuflüssen, dann können kilometerlange und Hunderte Meter breite Sand- und Kiesfelder entstehen.

An der oberen Donau haben Regulierungsmaßnahmen, Stauwerke und die regelmäßige Ausbaggerung des Flusslaufes die Neubildung von Sedimentbänken gänzlich zum Erliegen gebracht. Ähnlich beklagenswert ist das Schicksal der einst ausgedehnten Kiesbänke entlang der südlichen Donauzuflüsse. Die Isar ist hier eine erfreuliche Ausnahme. Vor allem zwischen Krün und Wolfratshausen sowie von Freising bis zur Mündung hat sich abschnittweise die vollständige Formenvielfalt natürlicher Uferbereiche erhalten können. Wasserbauliche Maßnahmen beschränken sich nicht nur auf das Kappen von Hochwasserspitzen, sondern auch auf die Vermeidung von Niedrigwasser. Talsperren und Stauhaltungen sind Werkzeuge, mit denen der Abfluss unserer Flüsse an die ökonomischen Bedürfnisse angepasst wird. Ein gleichmäßiger Wasserfluss optimiert Energiegewinnung und Wassertransport – aber eben nicht die Lebensverhältnisse der Organismen im und am Fluss. Die Entstehung und der Erhalt natürlicher Kies- und Sandbänke erfordern neben einem intakten Geschiebetransport eine von menschlichen Eingriffen unbeeinflusste hydrologische Dynamik. Die Donau und ihre alpinen Nebenflüsse waren einstmals von weiträumigen Kies- und Sandbänken geprägt, die in dieser Form nur im Alpenvorland entstehen konnten. Die Reste dieses Naturerbes gehören heute zu den am meisten gefährdeten Ökosystemen unserer Heimat.

An der Argen im Allgäu oder an der oberen Isar ist die Welt noch einigermaßen in Ordnung.

 

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