Weiden - die Pioniere unter den HolzpflanzenBei Weiden denken wir zunächst einmal an diese Sträucher mit den elastischen Zweigen und den früh blühenden Kätzchen. Allerdings umfasst die Familie der Weidengewächse (Salicaceae) nicht nur diese zur Gattung Salix gehörenden Pflanzen, sondern auch die ganz anders aussehenden Pappeln (Populus) mit ihren vier heimischen Arten (Zitter-, Silber-, Grau- und Schwarzpappel) sowie einigen eingeführten, meist nordamerikanischen Pappelarten. Konzentrieren wir uns auf die Vertreter der Gattung Salix. Diese zählen nämlich zu unseren interessantesten Holzpflanzen. Die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald bietet einen übersichtlichen Steckbrief der heimischen Weiden und ihrer ökologischen Besonderheiten (externer Link), so dass ich mir hier botanische Einzelheiten spare.
Zu den Weiden gehört die arktische Krautweide (Salix herbacea), die ein winziges, nur wenige Blätter tragendes Stämmchen besitzen. Das Laub lässt im kurzen nordischen Herbst die arktischen Tundren in sattem Rot erstrahlen.Auch die bis zu 30 Meter große Silberweide (Salix alba) gehört zur gleichen Gattung.
Weiden sind Extremisten. Sie lieben instabile und ausgesetzte Standorte, besonders wenn sie nass sind. Aber auch hell sollte es sein. Werden sie von höheren Bäumen überwachsen, verkümmern sie in ihrem Schatten und verschwinden schließlich. Der Schwerpunkt ihrer Verbreitung liegt in den nördlichen Weltregionen. Hier besiedeln sie die Standorte, die andere Baumarten meiden: die Arktis und das Hochgebirge, die Vorfelder der Gletscher, Moore und die nassen oder überschwemmungsgefährdeten Uferbereiche von Bächen, Flüssen, Teichen und Seen.
Die Seidenhaarige Weide (Salix glauca) besiedelt die grönländische Arktis.Weiden säumen die Bäche der nordischen Tundren, ...sie wurzeln in den höchsten Gebirgsregionen ...... entlang unserer Flachlandbäche ....... in Mooren ...... an Seeufern .... ..... oder auf den Kiesbänken von Gebirgsflüssen.Die Ufer unserer Flüsse und Bäche sind Lebensräume, die durch regelmäßige Überflutungen, Umgestaltungen der Uferbereiche und Umlagerungen des Untergrundes für die meisten Holzpflanzen ungünstige Wachstumsbedingungen bieten. Das Fehlen von Konkurrenten stellt allerdings eine große Chance dar, wenn Pflanzen geeignete Mechanismen entwickelt haben, diesen instabilen Umgebungsbedingungen zu trotzen. Weiden sind regelmäßig die ersten Holzpflanzen, die auf neu geschaffenen Sandbänken, Kiesinseln oder Schlickablagerungen ihre Wurzeln verankern. Weiden sind Pioniere und als solche die Charakterpflanzen der Weichholzauen, die sich als meist schmale Zone zwischen die aktiven, vegetationslosen Uferbereiche und die anspruchsvolleren Wälder der Hartholzaue schieben (Die ökologische Zonierung der Aue). Weiden haben ideale Pioniereigenschaften: Sie produzieren Samen, die aufgrund ihrer geringen Größe durch Wasser und Wind weit verbreitet werden können. Weiden keimen unmittelbar auf rohen Böden, ja sogar auf sterilen Schottern oder Sanden. Haben sie einmal Wurzeln geschlagen, dann vermehren sie sich auf diesem Standort meist nur noch vegetativ. Obwohl Weiden oft mehrfach im Jahr Unmengen an flugfähigen Samen produzieren, dient diese Fruchtbarkeit in erster Linie der Besiedelung von Neuland. Weiden produzieren massenhaft Samen, wie diese Alpenweide, ........ aber sie bilden auch aus jedem abgebrochenen Zweige neue Wurzeln und Triebe.Je nach Quelle werden weltweit zwischen 350 und 620 Weidenarten benannt. Solche Diskrepanzen sind bei Pflanzen, deren schwerpunktmäßiges Verbreitungsgebiet von den gemäßigten Zonen bis in die Arktis zu den gut erforschten Regionen unserer Welt gehört, sehr ungewöhnlich. Auch bei uns werden zwischen vierzig und fünfzig Salix-Arten gelistet, aber so einfach ist das nicht. Neben der Ausbildung von Unterarten neigen viele Weiden zur Hybridbildung. Dabei entstehen nicht nur Bastarde aus zwei Arten, sondern auch Mehrfachhybride verschiedener Spezies. Unterschiedliche Angaben zu Artenzahlen dokumentieren die Probleme der Artabgrenzung. In der botanischen Fachliteratur wird daher gerne von Sippen oder Klonen gesprochen, um die genetische Verwandtschaft von Weidenpopulationen zu beschreiben. Pflanzen und Tiere haben viele Tricks entwickelt, um eine Vermischung mit anderen Arten zu verhindern. Warum aber besitzen dann gerade Weiden einen so ausgeprägten Hang zur Hybridisierung? Hybride tragen die Gene beider Arten und entwickeln daher auch Mischeigenschaften. Wir kennen dies von Bastarden aus Pferd und Esel. Allerdings sind Maultiere unfruchtbar, Hybridweiden dagegen in der Regel nicht. Nicht alle Weiden neigen zur Hybridisierung. Manche Mischlinge entwickeln keine Blüten und vermehren sich ausschließlich vegetativ. Bei wieder anderen Kreuzungen sind die Keimfähigkeit der Samen und das Wachstum der Hybride deutlich gegenüber denen der Eltern reduziert. Aber es gibt auch Kombinationen, bei denen genau das Gegenteil der Fall. Die verbreitete Hybridbildung bei Weiden hängt vermutlich mit ihrer Rolle als Pionierpflanzen zusammen. Pionierstandorte sind kurzlebig und einem beständigen Wechsel der oft rauhen Lebensbedingungen unterworfen: Es sind Extremstandorte. Betrachten wir nur einmal die Orte, an denen wir Weiden finden: Sie wachsen an reißenden Gebirgsflüssen, im Vorfeld von Gletschern, in jeder feuchten Senke, auf Kiesbänken, ja in den Ritzen von Uferbefestigungen oder gar in Mauerfugen und Dachrinnen. Weiden besiedeln wirklich jeden erdenklichen Standort, wenn er nur feucht ist und ausreichend Licht erhält. Durch Hybridbildung wird die genetische Variabilität der Stammarten dramatisch erhöht. Es entsteht eine Formenvielfalt mit einer fast nach Belieben wandelbaren Anpassungsfähigkeit. Für jeden geeigneten Standort, für jede ökologische Nische findet sich daher sicher der eine oder andere geeignete Vertreter dieser artenreichen Pflanzengruppe. Und es ist nicht nur ihre Formenvielfalt, die Weiden zu typischen Vertretern der Pionierpflanzen macht: Auch das üppige Wachstum, die ausgeprägte ungeschlechtliche Vermehrungsfähigkeit, die leichte Verbreitung und schnelle Keimung der Samen sind wichtige Eigenschaften für eine Anpassung an extreme und instabile Lebensräume.
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