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Das Neugeschüttwörth - Waldentwicklung an einem stauregulierten Fluss

Hier geht es zum Youtube-Video Neugeschüttwörth

 

Wie im gesamten Fließabschnitt der Donau von Ehingen über Ulm, Ingolstadt, Regensburg bis nach Straubing wurde der einst frei fließende Strom auch im Bereich des östlichen Donauriedes begradigt, eingedeicht und durch Stauwerke fragmentiert. Die Kanalisierung zerstörte nicht nur den Fluss, sondern auch die angrenzende Aue. Deiche unterdrückten den natürlichen Rhythmus aus Überflutung und Trockenheit, Stauhaltungen nivellierten den ehemals schwankenden Grundwasserspiegel. So verdorren die Auwälder, Nebengewässer versiegen und Feuchtgebiete trocknen aus. Im gesamten Donauried gibt es keinen einzigen Fleck, auf dem noch eine naturgemäße Auenfunktion erhalten geblieben wäre.

Das gilt auch für das Neugeschüttwörth, ein wenige Kilometer flussabwärts von Höchstadt an der Donau gelegenes Waldstück, das sich wie eine Insel zwischen dem mehrere Meter hohen Deich der Stauhaltung Schwenningen und der dominierenden Agrarlandschaft zu behaupten versucht.

Selbst der dichte, urwaldähnliche Bewuchs darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass nichts an diesem Wald ursprünglich ist. Er wurde nach der Regulierung und endgültigen Kanalisierung der Donau auf den nun trockenen Sanden und Uferschottern, die für eine landwirtschaftliche Nutzung ohnehin nicht geeignet waren, angepflanzt und – so wie alle Wälder - forstwirtschaftlich genutzt. Daher sucht man auch vergeblich nach alten Bäumen.
Dennoch gewährt dieses winzige Waldgebiet einen substanziellen Einblick in die Ökologie von Wäldern an stauregulierten Flüssen. Das Neugeschüttwörth wurde nämlich 1978 zu einem Naturschutzgebiet erklärt und – in einem 38 ha großen Teilbereich des 46 ha umfassenden Schutzgebietes - als Naturwaldreservat von der Holznutzung ausgeschlossen. So kann man nun auf einer kleinen Fläche die Entwicklung eines Waldes erforschen, der zwar nicht mehr unmittelbar von Menschenhand beeinflusst wird, bei dem aber die ursprüngliche Auenfunktion ausgeschaltet wurde.

Der Grundwasserstand ist konstant hoch. Eine Ursache hierfür ist der beständige Austritt von Sickerwasser aus der angrenzenden Stauhaltung. Ein großer Teil dieses so genannten Qualmwassers wird über einen künstlichen Bach entlang des Deiches ausgeleitet. Das optisch klar erscheinende Qualmwasser mag beim unvoreingenommenen Beobachter den falschen Eindruck eines „sauberen“ Fluss einen erwecken. Tatsächlich ist der Nitratgehalt der Donau mit durchschnittlich 13 mg/l Nitrat (maximal 21 mg/l) und 0,15 mg/l Phosphat (maximal 0,27 mg/l) außerordentlich hoch und gilt als eutroph.

Da der Grundwasserspiegel kaum schwankt, bestimmen geringe Unterschiede im Landschaftsprofil die Feuchte der Standorte. In den nassen Bereichen entlang des Qualmwasseraustrittes stockt ein bis heute forstwirtschaftlich genutzter Wald aus Silberweiden und Pappeln.

Die südlich anschließenden, oberflächlich eher trockenen Bereiche mit Grundwasseranschluss wurden mit Eschen und Eichen bepflanzt, die dem Baumbestand der natürlichen Hartholzaue entsprechen. Das Ausbleiben oberflächlicher Überschwemmungen und das Fehlen von Grundwasserschwankungen wird die Vegetation weiter verändern. Die staunassen Flächen, auf denen heute noch Weiden und Pappeln dominieren, dürften zunehmend den Charakter eines Erlen-Bruchwaldes annehmen. Auch in den Eschen-Eichen-Wäldern werden sich Auen-untypische Pflanzen breit machen.

Eine ehemalige Flussschleife der Donau bildet nun einen Altarm. Weil dieser schon lange keinen Anschluss mehr an das Hauptgewässer hat, wird irgendwann einmal vollständig verlandet sein. Das Überangebot von Nitrat und Phosphat, das überwiegend aus der Landwirtschaft stammt und im Sommer zu Massenentwicklungen von Algen und nitrophilen Wasserpflanzen führt, beschleunigt diesen Prozess. Dem Besucher erschließen sich diese ökologischen Hintergründe erst auf den zweiten Blick.

Die wenigen Naturfreunde, die den Bremsen und Stechmücken zu trotzen wagen, erleben das Neugeschüttwörth als einen der letzten magischen Orte, an dem in unserer lückenlos ökonomisierten Landschaft auf kleinstem Raum ein Stück Wildnis zugelassen wurde. Tatsächlich sind zur Zeit (2014) jedoch nur 0,3% des deutschen Waldes als Naturwaldreservate beziehungsweise Bannwälder von der wirtschaftlichen Nutzung ausgenommen.

Erfahren Sie mehr über Auwälder in meinem Buch "Die Auwälder der Donau".

Der interessierte Besucher verlässt die B16 zwischen Höchstädt und Donauwörth bei Blindheim und folgt der Beschilderung in Richtung Gremheim und Pfaffenhofen. Unmittelbar hinter der Donaubrücke, also auf der südlichen Donauseite, befindet sich ein kleiner Parkplatz, von dem aus ein Weg in das Naturschutzgebiet führt.