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Das Mooser Schütt - eines der letzten naturnahen Auwaldreste an der Donau

Hier geht es zum Youtube-Video Mooser Schütt

 

Der Sonntagsspaziergang gehört zum Ritual unserer Gesellschaft. Meist geht es über eine „Hausrunde“ durch den nahen Wald und auch gerne entlang eines Flusses. Die folgende Abbildung zeigt einen solchen Spazierweg entlang des Hochwasserdammes der Donau. Besonders an sonnigen Feiertagen schieben sich hier die Spaziergänger wie in einer Prozession über den Betriebsweg: links der Fluss und rechts der Auwald – haben wir nicht eine wundervolle Natur!?

 

Viele Menschen – es dürfte die überwiegende Mehrzahl sein – lassen sich durch glitzernde Wasserflächen und rauschende Wälder über das wahre Ausmaß der Naturzerstörung in unserer Heimat hinwegtäuschen. Wo sollen wir auch „echte“ Naturerfahrungen sammeln? Wildnis gibt es in Mitteleuropa schon lange nicht mehr und auch die wenigen noch halbwegs ökologisch intakten Flächen verlieren sich in der alles dominierenden Kulturlandschaft.

So haben wir regelrecht verlernt, wie Natur im Urzustand eigentlich aussieht. Tatsächlich hat der Einfluss der Kultur auch unsere Einstellung zur Natur ganz erheblich verändert: Wir lieben die Parks, die aufgeräumten Forste, die für das Sonntagsschuhwerk so bequemen Landwirtschaftswege und Forststraßen. Eine naturnahe Landschaft dagegen – ein wegloser Sumpf, ein an Unterholz und toten Bäumen reicher Laubwald oder ein mit Wasserpflanzen bedeckter Tümpel – empfinden wir als unattraktiv, ja als bedrohlich. Betreten dann noch als abschreckend empfundene Tiere die Bühne – Fliegen, Spinnen, Mücken oder gar Schlangen und schleimige Schnecken – dann ist es mit der Naturliebe der meisten Zeitgenossen schnell vorbei.

Wie sehr unser Verhältnis zur Natur kulturell geprägt ist, wird auch in unserem Vokabular deutlich. So weckt ein eigentlich neutraler Begriff wie "Wildnis" eher negative Assoziationen, was in dem abgeleiteten Wort "verwildert" sehr deutlich zum Ausdruck kommt. Wenn wir also unsere natürlichen Ressourcen mit ihrer Biodiversität erhalten wollen, dann müssen wir auch unsere innere Einstellung zur Natur überarbeiten. Wir müssen lernen, die Natur in ihrer Ursprünglichkeit zu schätzen und zu lieben – einschließlich aller Organismen und unabhängig von unseren tradierten oder anerzogenen Sympathien und Abneigungen.

Natürliche Auwälder sind die Zentren der Artenvielfalt Mitteleuropas: Auf kleinstem Raum bieten sie etwa der Hälfte unserer Tier- und Pflanzenarten eine Heimat. Gehen auch die letzten unserer noch verbliebenen Auwälder verloren, dann verschwindet ein wesentlicher Teil unserer Fauna und Flora. Ein Horrorszenario? Nein, für manche dieser meist unscheinbaren Lebewesen, sogenannte Urwaldreliktarten, gibt es tatsächlich nur noch einige wenige Fundorte. Es gibt Organismen, bei denen ist es nur noch ein einziger im ganzen Land. Tatsächlich sind in Bayern nur noch wenige Hektar naturnahen Auwaldes erhalten geblieben. Um einmal einen „richtigen“ Auwald zu erleben, werden wir daher lange suchen müssen.

Eines dieser Refugien ist das Naturwaldreservat Mooser Schütt bei Rennertshofen. Hierher gelangt man nicht zufällig, denn erstens muss man laufen (oder radeln) und zweitens sind die Wege schlecht, besonders nach Niederschlägen. Und dann gibt es im Sommer Mücken ohne Ende, ganz zu schweigen von anderen "Ekeltieren", von Brennnesseln und Brombeerranken. Aber gerade deswegen wollen wir ja auch einen Besuch wagen.

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Die Expedition beginnt am Wasserkraftwerk Bertoldsheim. Dorthin gelangt man nach etwa 3 km über den Abzweig "Bertoldsheim/Rennertshofen“ von der B16 zwischen Donauwörth und Neuburg a. d. Donau. Am Wasserkraftwerk parken wir unser Fahrzeug und folgen dem Wirtschaftsweg am Südufer der Donau (also in Richtung Bundesstraße) flussabwärts. Nach 1,7 km biegt der Hauptweg nach rechts ab und nach einigen Minuten stehen wir auf einer Brücke über einen mehrere Meter breiten Bach, der Friedberger Ache. Hier wird jeder innehalten, denn an diesem Ort der Stille findet man natürliche Strukturen, auf die man in unseren ausgeräumten Kulturlandschaften sonst kaum noch trifft. Da ist zunächst die Ache, ein klarer und quirliger Bach mit unverbauten Ufern, die sich etwa einen Meter tief in den Auelehm eingegraben hat. In den Steilwänden brüten Eisvögel, die man oft wie einen blauen Blitz über die Wasseroberfläche jagen sieht. Auch der Biber hat hier sein Revier, das lassen die umgeworfenen Weichhölzer leicht erkennen. Am Ufer liegen regelrechte Berge von Treibholz, die als Heimat für Totholz-bewohnende Insekten und Baumpilze einen wichtigen Beitrag zur Ökologie eines Auwaldes leisten.

Weiter geht es nun durch einen urigen Wald aus auentypischen Eschen, Stieleichen und Flatterulmen. Entlang einer Flutrinne biegt der Weg jetzt nach rechts ab. Wer sich traut, gelangt hier über einen immer schmaler werdenden Pfad zu einem weiteren Höhepunkt, einer schmalen Brücke über die Kleine Paar. Hier entfaltet der Auwald seine urwaldähnliche Seite mit dichtem Unterholz, undurchdringlichen Röhrichten und verwachsenen Wasserflächen. Hier brütet der bei uns vom Aussterben bedrohte Flussuferläufer. Ringelnattern queren die Gewässer, aus hohen Altbäumen ruft der Pirol, die Nachtigall schlägt, Teichrohrsänger singen unermüdlich und über allem kreist der Schwarzmilan.

Eine Idylle, die nicht darüber hinwegtäuschen darf, wie zerbrechlich dieser Naturschatz ist. So erkennt man zwischen der Kleinen Paar und dem Steppberg die regelmäßigen Reihen gleichaltriger Bäume. Es sind Hybridpappeln, für deren minderwertiges Holz wertvolle Auwaldflächen weichen mussten. Leider führt der Wahn, mit Biomasse unseren Energiehunger stillen zu können, zu einer Wiederbelebung des Anbaus schnellwüchsiger Pappeln auf ansonsten ertragsarmen Feuchtstandorten.

Nur wenige Schritte sind es bis zur Donau. Hier mündet die Kleine Paar, die wenige Meter zuvor bereits die Friedberger Ache aufgenommen hat, gefällefrei in die Donau. Der Blick fällt auf das gegenüberliegende Ufer. Der Schein trügt, denn unmittelbar hinter den Uferbäumen zieht sich der Hochwasserdamm am Ufer entlang - vom Grün des Sommers gnädig verborgen.

Unmittelbar angrenzend der Steppberg. Mit seinem fast gebirgigen Steilhang wirkt er hier ziemlich unpassend.

Man achte auf den Übergang vom Auwald zum Hang. Nur wenige Meter vom Wasser beginnt der Buchenwald. Buchen vertragen keine Überflutungen und vermeiden einen hohen Grundwasserspiegel, Auwälder dagegen benötigen beides. Trocknet der Boden durch Eingriffe des Menschen aus, dann verdrängen Buche, Hainbuche und Spitzahorn die Eschen, Eichen und Ulmen des Auwaldes. Hier bekommt man diese Zusammenhänge wie in einem Lehrbuch präsentiert.

Aber wie konnte sich gerade an diesem Ort ein naturnaher Auwald erhalten, obwohl doch die Donau auch hier ein lebensfeindlicher Kanal ist? Es sind im Wesentlichen zwei Besonderheiten, welche dieses Fleckchen Erde mit den für die Ausprägung einer ökologisch intakten Aue so wichtigen regelmäßigen Überschwemmungen segnet. Einerseits ist es das Zusammentreffen gleich dreier Fließgewässer an diesem Ort. Die Kleine Paar und die Friedberger Ache münden hier gemeinsam in die Donau – und zwar ohne Höhendifferenz zum Hauptstrom. Das Fehlen einer Gefällestufe, wie sie so häufig bei künstlich geschaffenen Einmündungen von Auengewässern in den Flusskanal zu beobachten ist, ermöglicht einen wechselseitigen Austausch von Fischen und anderen Wasserorganismen. Nicht zuletzt gewährleistet diese Situation einen hohen Grundwasserstand im angrenzenden Auwald.

Die zweite Auffälligkeit ist der Steppberg (oder Römerberg, wie er auch genannt wird), der sich bis unmittelbar an das Ufer der Donau heranschiebt. Dieser Hügel ist eigentlich ein südlicher Vorsprung des Juraplateaus der Fränkischen Alb, der hier von der Donau abgetrennt wurde. Nun bildet dieser Höhenzug eine natürliche Barriere, hinter der sich die Hochwasser der Donau und ihrer Nebenflüsse leicht aufstauen, zumal ein Hochwasserdamm am gegenüberliegenden, nördlichen Ufer das Ausweichen der Wassermassen unterbindet. So kommt es trotz eines eigentlich vollkommen regulierten Flusslaufes genau an dieser Stelle zu regelmäßigen Überflutungen. Die häufigen Hochwasser bringen Sedimente in den Wald, durchspülen die Altwasser und Flutrinnen und unterbinden das Nachwachsen von Trockenheit liebenden Pflanzen zu Gunsten einer auentypischen Vegetation.

Das Mooser Schütt zeigt eindrucksvoll die Bedeutung des Wassers für die Entstehung und Bewahrung einer natürlichen Aue mit ihrem eng verzahnten Mosaik aus unterschiedlichsten Biotopen.

Erfahren Sie mehr über Auwälder in meinem Buch "Die Auwälder der Donau".