JoergHemmer.de

Naturwaldreservat Grubenhau

Hier geht es zum Film:

 

Ohne die Besiedlung durch Menschen wäre ganz Mitteleuropa, mit Ausnahme weniger Extremstandorte, flächendeckend von Urwald überwachsen. Heute sind dreißig Prozent unserer Landesfläche von Wald bedeckt. Aber die Vorstellung, es handele sich hierbei um die Reste ehemaliger Urwälder, ist falsch. Bereits im Mittelalter war der Wald durch Umwandlung in Ackerland, Siedlungen und zerstörerische Holznutzung nahezu vollständig vernichtet. Auch die verbliebenen Reste wurden intensiv genutzt. Erst als vor knapp zwei Jahrhunderten der Kohlebergbau die Holznutzung weitgehend ersetzte, wurden viele Brachflächen aufgeforstet. Jede heute bestehende Waldparzelle ist also im Laufe der Geschichte bereits vielfach genutzt worden. Primäre Wälder werden wir daher bei uns vergeblich suchen.

Wenn unser Wald kein Urwald ist, aber dennoch jede Ansammlung von Bäumen - unabhängig von der Art und dem Grad der Nutzung - als Wald bezeichnet wird, dann ist der Waldbegriff recht unverbindlich. Auch offizielle Definitionen sind da wenig hilfreich. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO definiert Wald als jede Form natürlicher oder genutzter Wälder von mindestens einem halben Hektar Fläche und einer Baumbedeckung von mehr als zehn Prozent. Da natürliche Wälder bei uns fehlen, definiert der Paragraf 2 des Bundeswaldgesetzes folgerichtig: „Wald im Sinne dieses Gesetzes ist jede mit Forstpflanzen bestockte Grundfläche.“ Tatsächlich sind unsere Wälder im Wesentlichen forstwirtschaftliche Betriebsflächen.

Dies mag die Forstlobby heute nicht mehr so deutlich aussprechen, denn in den letzten Jahrzehnten wuchs der allgemeine Wunsch nach mehr Natur und Wildnis in unserem Lande. Immerhin sind mehr als die Hälfte unserer Forste in öffentlicher Hand. Sie gehören uns allen! So lassen forstwirtschaftliche Interessensvertretungen (private wie öffentliche) geradezu lyrische Qualitäten erkennen, wenn sie nur dazu dienen, ihrem wirtschaftlich orientierten Handeln einen naturverträglichen Anschein zu verleihen. Da werden Selbstzweifel und Schuldgefühle erkennbar. "Schützen durch Nützen" ist der wohl beliebteste verbale Täuschungsversuch, der verschleiern soll, dass der Mensch die Forstwirtschaft braucht, die Natur aber ganz gewiss nicht. Schließlich ist der Wald ja seit dreihundert Millionen Jahren ganz gut ohne Axt und Säge ausgekommen.

Weil sich immer weniger Bürger in die Irre führen lassen, werden seit etwa vier Jahrzehnten Waldparzellen aus der wirtschaftlichen Nutzung genommen. Es handelt sich hier um die Kernzonen der Nationalparks sowie um meist winzige Naturwaldreservate oder Bannwälder. Zusammen sind das etwa 2000 Quadratkilometer, und damit nur knapp zwei Prozent unserer Wälder (Stand 2012), die eine von Menschen unbeeinflusste Entwicklung nehmen dürfen. Urwälder von Morgen. Aber bis ein Wald wieder in einen natürlichen Alterungszyklus zurückgefunden hat, vergehen Jahrhunderte - und da kann eine Menge dazwischenkommen.

Welch atemberaubende Schönheit selbst solche Wälder entfalten können, die ganz am Anfang dieses Prozesses stehen, das zeigt das nur 16 Hektar große Naturwaldreservat Grubenhau auf der Schwäbischen Alb. Der alte Buchenbestand hat bereits viele Eigenschaften eines Urwaldes angenommen: viel stehendes und liegendes Totholz in unterschiedlichen Stadien der Verrottung und eine natürliche Verjüngung in den Sturzlücken. Es ist ein zwar bescheidendes, aber doch eindrucksvolles Erbe, das wir da unseren Kindern und Enkeln überlassen.

 

 

Folgende Seiten meiner Homepage könnten Sie auch interessieren:

Biomasse, Forstwirtschaft und das Ökosystem Wald

Wald und Bäume

 

Eine Datenbank der Naturwaldreservate Deutschlands finden Sie unter diesem externen Link.

 

Infobox: Das Naturwaldreservat Grubenhau erreicht man von der Autobahn A7, Ausfahrt Langenau. Von dort über Langenau der L1177 bis nach Rammingen folgen. Im Ort ein Wegweiser zur Gaststätte Lindenau. Dort parken und den zunächst asphaltierten Feldweg nach Westen nehmen. Kurz nach Betreten des Waldes weisen Schilder auf das Naturreservat Grubenhau hin.