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Die Rückkehr des Luchses



Am 01. Januar 2007 wurde auf der A8 bei Laichingen ein Luchs überfahren. Luchse - ja gibt es die denn hier?

Tatsächlich wurde der letzte schwäbische Luchs 1846 auf der Alb in der Nähe der Ruine Reußenstein getötet. Nur wenige Jahre später verschwand diese größte europäische Wildkatze aus den Bayerischen Alpen. Das Jahr 1872 bedeutete auch im benachbarten Tirol das Aus, so dass spätestens seit diesem Zeitpunkt der Luchs in Deutschland als ausgerottet betrachtet werden kann.

Ursprünglich war diese bis zu 25 kg schwere Katze von den Pyrenäen bis zum Ural verbreitet. Die Verbesserung der Jagdwaffen, der steile Anstieg der Bevölkerungszahlen nach den Pestepidemien und den Wirren der Religionskriege und die damit verbundene intensivere Landnutzung und Besiedelung ließen dem Luchs in weiten Teilen des Kontinents keine Chance. Nicht zuletzt sorgte auch das wertvolle Fell für Begehrlichkeiten der Jäger. Als Wildschädling und blutrünstiger Lustmörder diffamiert, wurde das Verschwinden dieses heimlichen Nachtjägers kaum bedauert.

Anfang des 20. Jahrhunderts gab es in Europa nur noch zwei zusammenhängende Luchspopulationen. Eine erstreckte sich von Norwegen über Schweden und Finnland nach Nordwest-Russland, ein weniger weitläufiges, aber zahlenmäßig bedeutendes Vorkommen befand sich in den Karpaten. Kleinere Gruppen und umherstreifende Einzeltiere überlebten zwischen diesen Kerngebieten, so auf dem Balkan und möglicherweise auch im Böhmerwald.

Erst das Aufkommen eines vom Nützlichkeitserwägungen freien Naturschutzgedankens (ein Prozess, der heute noch nicht abgeschlossen ist und vielerorts nicht einmal begonnen hat) führte zur Unterschutzstellung der letzten Großtiere in vielen Ländern Europas. Erfreulicherweise konnten sich die Luchsbestände in den vergangenen Jahrzehnten stabilisieren. Unterstützt durch Wiederansiedlungsmaßnahmen, z.B. in Slowenien oder der Schweiz, breitet sich der Luchs seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts wieder aus. Als Lebensraum eignen sich weiträumige Waldregionen mit hoher Wilddichte. Mittlerweile streifen schätzungsweise 80 Luchse durch das Böhmisch-Bayerische Grenzgebirge. Vom Schweizer Jura aus haben sich Tiere über die Vogesen bis in den Pfälzerwald ausgebreitet. Es dürfte sich dabei um kaum mehr als 20 Tiere handeln. Seit 1998 gibt es sichere Beweise für das Vorkommen des Luchses im Südschwarzwald und seit 2005 auch im oberen Donautal. Es handelt sich hier um seltene Einzelbeobachtungen, die bislang keine Rückschlüsse auf eine unabhängige Fortpflanzung zulassen. Auch die Herkunft der Tiere ist bislang nicht geklärt. Zwar konnte anhand von Radiotelemetriedaten nachgewiesen werden, dass Luchse auch größere Flüsse durchschwimmen können, ob dies aber auch für den Rhein zutrifft, der den Schwarzwald von der linksrheinischen Jura-Vogesen-Population trennt, ist fraglich. Eine illegale Wiederansiedlung ist daher nicht ausgeschlossen.

Nun, der Luchs ist zurück - hoffentlich für immer. Für die meisten Bürger unseres Landes ist diese elegante Katze ein Sympathieträger. Sicherheitsbedenken wie beim Bär "Bruno" oder beim Wolf (Rotkäppchen!) gibt es nicht. Eine Begegnung mit dem Luchs in freier Wildbahn ist mehr als unwahrscheinlich und - wenn es denn doch passiren sollte - vollkommen ungefährlich.

Ich hatte einmal dieses unglaubliche Glück. An einem Tag Anfang August 1976 wanderten wir zu zweit im schweizerischen Graubünden von Sur En durch die Val d´Uina in der Sesvenna-Gruppe. Nach dem Aufstieg durch diese gewaltigste Schlucht der Alpen gelangt man auf die Hochebene der Alp Sursass. Hier verläuft die Grenze nach Italien. Da es bereits dunkel wurde, beschlossen wir, auf einer der großen Wiesen unmittelbar an einem Bergbach zu übernachten. Das Wetter war freundlich und wir verkrochen uns, ohne ein Zelt aufzuschlagen, in unsere Biwaksäcke. Als ich am nächsten Morgen in die aufgehende Sonne blinzelte, traute ich meinen Augen nicht, als ich in kurzer Distanz zwei Luchse auf der Wiese sitzend entdeckte. Es handelte sich um ein großes und ein kleineres Tier, vermutlich ein Weibchen mit einem fast ausgewachsenen Jungen. Die eleganten Tiere saßen wie zwei Hunde nebeneinander und betrachteten ebenfalls recht neugierig die merkwürdigen Gestalten auf dem Erdboden. Sie hatten wohl nicht den Eindruck einer unmittelbaren Gefahr. Die Tiere machten jedenfalls einen entspannten Eindruck. Auch als ich durch leisen Zuruf meinen Begleiter weckte, rührten sie sich nicht. Nach einigen Minuten gegenseitiger Begutachtung verschwanden sie dann aber ganz plötzlich in einer Bodensenke.  Als wir uns endlich aus unseren Schlafsäcken geschält hatten, waren sie wie vom Erdboden verschluckt . Die Tiere stammten offensichtlich von Tieren ab, die 1971/72 ohne offizielles Genehmigungsverfahren im Engadin freigelassenen worden waren. Trotz häufiger Besuche in Luchsgebieten Skandinaviens war dies die einzige Begegnung mit dieser wunderschönen Wildkatze in freier Natur. Erst viele Jahre später wurde mir die Einmaligkeit dieser Begegnung bewusst.

Die hier veröffentlichten Aufnahmen wurden in einem weiträumigen Freigehege im Polarzoo (externer Link) in Bardu/Nordnorwegen gemacht . Auch die Gehegezone im Nationalpark Bayerischer Wald (externer Link) eignet sich hervorragend zum Beobachten der Tiere in einer natürlich erscheinenden Umgebung.

 

Weitere externe Links:

Eine informative Beschreibung des Luchses und seiner Rückkehr in unsere Heimat findet sich auf der Homepage der AG Luchs Baden-Württemberg. Für ein Studium der Verbreitungsgeschichte und der aktuellen Anstrengungen zum Schutz des Luchses in Europas kann die Seite von Euronatur empfohlen werden. Weitere interessante Informationen gibt es über Luchse in Bayern und der Schweiz.