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Der Seidelbast

und die Geschichte von Apollon und Daphne

 

 

Rotkehlchen und Kohlmeisen singen bereits, die letzten Schneeflecken haben sich in den Schatten zurückgezogen, langsam verschwindet der Winter aus dem Wald. Aber noch sind die Bäume kahl und den Boden bedeckt das trockene Vorjahreslaub. Lediglich der Hasel, dessen gelben männlichen Blüten bereits im Herbst angelegt wurden, hängt voller wurmförmiger Kätzchen. Gierig sucht das Auge nach weiteren Frühlingszeichen. Irgendwo müsste doch schon der Seidelbast (Daphne mezereum) in Blüte stehen. Trotz der Alleinstellung als Frühblüher und der auffallenden Blütenfarbe fällt dieser meist nur einen Meter hoch wachsende Strauch kaum auf. Erst auf den zweiten Blick löst sich das Purpurrot der Blütenblätter vom Hintergrund.


Die Blüten erscheinen vor den Blättern, die denen des echten Lorbeers (Laurus nobilis) ähneln, und das ist kein Zufall. Der wissenschaftliche Name des Seidelbast, Daphne, ist nämlich ein weiblicher Vorname griechischer Herkunft und bedeutet Lorbeer. Wie es dazu kam, erläuterte Ovid vor zweitausend Jahren in seinen „Metamorphosen“. Der liebestolle Apollon bedrängte die Nymphe Daphne so arg, dass diese ihren Vater, den Flussgott Peneius, anflehte, ihre Schönheit vor den Augen des zudringlichen Lichtgottes zu verbergen. Daraufhin verwandelte sich Daphne in einen Lorbeerstrauch. Apollon konnte nur noch das Holz küssen und unverrichteter Dinge von dannen ziehen.


Klug von Apollon, es bei einem Kuss zu belassen, denn tatsächlich hat Peneius gründliche Arbeit geleistet, um seine Tochter vor übergriffigen Männern zu schützen. Die Pflanze ist nämlich nicht nur unscheinbar, sondern auch noch hoch toxisch, nicht nur für Menschen, sondern auch für unsere Haustiere. Vergiftungen mit Daphnetoxin und Mezerin enden häufig tödlich. Gerade die roten Beeren laden zum Verzehr ein. Also: Finger weg vom Seidelbast, Gucken ist erlaubt!