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Wie vermehren sich Wasserpflanzen?

Eine interessante Frage, denn im Wasser gibt es doch keine Bienen – oder doch? Weil dieses Thema für die Nahrungskette im Fluss so wichtig ist – Pflanzen sind schließlich die Produzenten eines Ökosystems – und weil das auch spannend ist, holen wir vielleicht etwas weiter aus.

Die Pflanzen entstanden im Meer. Bis heute leben sie dort als Grün-, Rot- und Braunalgen. Diese Algen sind meist einzellig oder sie bilden Zellhaufen, manche auch einfache, strukturlose Vegetationskörper wie die Tange. Das Leben im Ozean erfordert nämlich nicht notwendigerweise Wurzeln oder Blätter und schon gar keinen Spross dazwischen, der ja bei Landpflanzen dem Wasser- und Nährstofftransport dient. Die Tange haben Rhizoide, die lediglich der Verankerung am Untergrund dienen. Nur die 15 Arten der Seegrasgewächse (Zosteraceae) besitzen Wurzeln, Stängel und Blätter, weil sie von Landpflanzen abstammen, denen es gelungen ist, sekundär wieder den marinen Lebensraum zurückzuerobern.

Algen vermehren sich meist ungeschlechtlich. Wenn sie sich doch einmal sexuell fortpflanzen, dann regeln sie dies – wie könnte es auch anders sein – über schwimmfähige Geschlechtszellen. Es war daher eine gewaltige Revolution, als vor etwa 470 Millionen Jahren die ersten primitiven Landpflanzen auftauchten. Zunächst waren es noch moosartige Gewächse, die von den Grünalgen abstammten. Diese leben zwar hauptsächlich im Wasser, aber sie begegnen uns – nicht immer zu unserer Freude – auch an jedem einigermaßen feuchten Flecken an Land. Diese glitschigen, grünen Algenbeläge veranschaulichen, wie sich der Übergang vom Wasser zum Landleben vollzogen haben mag. Auch die Ursprünglichsten unserer heutigen Landpflanzen, die Moose, bevorzugen nasse und feuchte Standorte, auch wenn sie bereits deutlich toleranter auf Trockenheit reagieren als Algen. Dies ist kein Zufall, denn auch die Geschlechtszellen der Moose müssen schwimmen, um zueinander zu finden – ein Erbe ihrer aquatischen Vorfahren. Aus den moosartigen Vorfahren entwickelten sich die Bärlappe und Farne. Sie bildeten zwar riesige Wälder, die uns als Steinkohle erhalten geblieben sind, aber auch sie benötigten immer noch Wasser, und sei es Regen oder Tau, als Medium ihrer Fortpflanzung.

 

 
Lebermoose, Laubmoose, Bärlappe und Farne sind zwar Landpflanzen, benötigen aber als Erbe ihrer wasserbewohnenden Vorfahren, den Algen, Wasser für den Austausch von Geschlechtszellen.

 

Erst die Samenpflanzen, die heute dominierenden Lebewesen der Erdoberfläche, lösten den Befruchtungsvorgang vom Wasser. Mit einer wegweisenden Neuerung schafften sie den Sprung selbst in extreme Trockenzonen: Aus spezialisierten Blättern entwickelten sie Blüten. Im Fruchtknoten warten die weiblichen Keimzellen auf die Befruchtung durch Pollen. Die männlichen Geschlechtszellen werden von den Staubblättern produziert. Pollenkörner sind winzig klein und werden daher auch zutreffend als Blütenstaub bezeichnet. So können sie sich leicht durch die Luft ausbreiten. Eine widerstandsfähige Hülle verhindert, dass sie dabei austrocknen. Entweder erfolgt die Bestäubung durch den Wind, so wie bei den Gräsern und vielen Bäumen, oder aber durch Tiere. Um sich auf Tierbestäubung zu spezialisieren, verwandelten die Pflanzen ihre Blüten zu Wunderwerken der Verführung. Meist sind es Insekten, in den Tropen auch Vögel und Fledermäuse, die gegen das Angebot von Nahrung einen unfreiwilligen Lufttaxidienst für den Transport der Pollen übernehmen. Als Lockmittel dient meist Nektar oder überschüssiger Pollen. Manche ködern Insekten mit Aasgeruch, wie der heimische Aronstab, oder gar hinterlistig mit der Nachahmung von Geschlechtspartnern, so wie die heimischen Fliegen-, Spinnen- oder Hummelragwurze. Mit diesen Werkzeugen eroberten die Blütenpflanzen jeden Winkel der Erdoberfläche, jedenfalls soweit es Klima und Bodenverhältnisse zuließen.


 

Ungeachtet der Erfindung dieser „trockenen“ Befruchtung gewannen die Blütenpflanzen auch den aquatischen Lebensraum zurück – zumindest was das Süßwasser betrifft. Der Ozean blieb, abgesehen von den bereits erwähnten Seegräsern, bis heute die Domäne der Algen. Diese eroberten vom Meer auch die Binnengewässer, die sie nun mit ihren Nachfahren teilen, die über den Landweg wieder zum Wasser zurückgefunden haben.

Für ein Leben im nassen Element sind Blüten allerdings denkbar unpraktisch. Wasserbewohnende Samenpflanzen bevorzugen daher stehende oder langsam fließende Gewässer, wo sie zumindest ihre Blüten über der Wasseroberfläche halten können, denn die Befruchtung erfolgt immer noch über den Luftweg. Schnell fließende Gewässer sind schwierige Lebensräume für Blütenpflanzen. Nur wenige höhere Pflanzen können sich am Grund verwurzelt einer mäßigen Strömung widersetzen wie der Flutende Hahnenfuß oder die Laichkräuter. Zusammen mit frei schwimmenden und am Boden wuchernden Algen bilden Wasserpflanzen daher nur in stehenden Gewässern und langsam fließenden Bächen und Flüssen die Grundlage der aquatischen Nahrungskette. Mit anschwellender Strömung nimmt der Pflanzenwuchs ab. Zuerst verschwinden die frei schwimmenden Algen, das Phytoplankton, und nach und nach auch alle höheren Pflanzen. Auch Uferpflanzen können sich an schnell fließendem Wasser kaum halten. Daher gibt es in den frei fließenden Abschnitten der Flüsse kaum Wasserpflanzen. Hier basiert die Nahrungskette auf dem Biofilm, einem flächigen Bewuchs aus mikroskopisch kleinen Organismen und Algen auf Steinen oder anderen Oberflächen, oder aus eingespültem Laub und Treibholz.

 

 

Froschlöffel (Alisma plantago-aquatica) und Weiße Seerose (Nymphaea alba) gehören zu den Samenpflanzen, die sich - von Landpflanzen abstammend - sekundär wieder an ein Wasserleben angepaßt haben. Daher müssen sie auch ihre Blüten für die Bestäubung durch Insekten über der Wasseroberfläche halten.